„Geheimtipp“ Verhinderungspflege

Verhinderungspflege - Was Sie unbedingt wissen sollten!

„Geheimtipp“ Verhinderungspflege

Die finanzielle Unterstützung für Pflegebedürftige, um pflegende Angehörige entlasten zu können.

Laut statistischem Bundesamt gab es im Dezember 2022 in Deutschland fast fünf Millionen Pflegebedürftige mit einem Pflegegrad. Genauer gesagt handelte es sich laut Stand vom 21. Dezember 2022 um 4.961.146 Pflegebedürftige.

Von diesen nahezu fünf Millionen Pflegebedürftigen werden lediglich 16 % in Pflegeeinrichtungen versorgt. Dies bedeutet, dass 84 % (also über 4.1 Millionen) der Pflegebedürftigen in Deutschland zu Hause gepflegt werden. Hiervon werden allein über 2.5 Millionen Pflegebedürftige von ihren Angehörigen versorgt, ohne dass noch ein ambulanter Pflegedienst bei der Pflege involviert wäre.

Diese Zahlen belegen eindrücklich, wie wichtig und unverzichtbar die Leistung der pflegenden Angehörigen ist. Und um diese Leistung überhaupt dauerhaft erbringen zu können, wären eigentlich regelmäßige Auszeiten von der Pflege erforderlich.

Allerdings nehmen die meisten Pflegepersonen, die einen Pflegebedürftigen zu Hause pflegen und umsorgen, diese Auszeiten viel zu selten.

In vielen Fällen ist dies auch darauf zurückzuführen, dass Pflegepersonen und Pflegebedürftige gar nicht wissen, dass es eine diesbezügliche Unterstützungsmöglichkeit in Form der Verhinderungspflege gibt.

Das Bundesministerium für Gesundheit umschreibt die Verhinderungspflege als „Urlaubs/Krankheitsvertretung“. Diese Beschreibung ist jedoch nicht glücklich gewählt.

Die Verhinderungspflege bietet in der Tat die Möglichkeit, sich sozusagen in der Versorgung der pflegebedürftigen Person vertreten zu lassen. Die Verhinderungspflege kann aber eben nicht nur im Urlaubs- oder Krankheitsfall abgerufen werden, sondern im Endeffekt immer dann, wenn die Pflegeperson verhindert ist. Daher wäre „Pflegevertretung“ vielleicht einleuchtender, um diese Leistung zu beschreiben.

Die Verhinderungspflege wird jedoch vor dem Hintergrund von mehr als 4.1 Millionen in der Häuslichkeit gepflegten Pflegebedürftigen insgesamt nur selten in Anspruch genommen.

Dies liegt zu großen Teilen daran, dass viele pflegende Angehörige gar nicht wissen, dass es eine Verhinderungspflege gibt oder welche Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme erfüllt sein müssen.

Was ist Verhinderungspflege?

Doch was steckt denn nun genau hinter dem Begriff Verhinderungspflege?

Die Verhinderungspflege ist eine Leistung der Pflegeversicherung der pflegebedürftigen Person, deren gesetzliche Grundlage in § 39 des 11. Sozialgesetzbuches (SGB XI) geregelt ist.

Diese Leistung sieht vor, dass die Pflegeversicherung die Kosten einer notwendigen „Ersatzpflege“ übernimmt, wenn die Pflegeperson „aus Gründen“ vorübergehend verhindert ist und die Pflege daher nicht wie üblich leisten kann.

Zu diesen Gründen zählen auch reine Auszeiten der Pflegeperson, damit diese die anspruchsvolle und zudem Zeit sowie Energie erfordernde Pflege überhaupt weiter bewältigen kann.

Auch fallen hierunter beispielsweise – neben dem bereits genannten Urlaubs- oder Krankheitsfall – Ausfälle aufgrund eines Lehrganges oder einer anstehenden Prüfung. Im Endeffekt geht es nur darum, dass es ein vorübergehender Ausfall sein muss, der nicht zum pflegerischen Alltag gehört.

Vorübergehend kann in diesem Kontext bedeuten, dass eine Pflegeperson nur für einige Stunden einen Ersatz benötigt. Es kann jedoch auch heißen, dass sie während ganzer Tage oder Wochen ersetzt werden muss.

Wer hat Anspruch auf Verhinderungspflege?

Anspruch auf Verhinderungspflege haben Pflegebedürftige, bei denen durch den Medizinischen Dienst mindestens Pflegegrad 2 festgestellt wurde und die durch mindestens eine private Pflegeperson in ihrer Häuslichkeit gepflegt werden.

Pflegebedürftige, bei denen lediglich eine Pflegebedürftigkeit gemäß Pflegegrad 1 vorliegt, haben keinen Anspruch auf Verhinderungspflege.

Und auch wenn zur Pflege eines Pflegebedürftigen mit Pflegegrad 2 bis Pflegegrad 5 ausschließlich ein ambulanter Pflegedienst eingesetzt wird ohne dass noch eine Pflegeperson vorhanden ist, besteht kein Anspruch auf die Leistungen der Verhinderungspflege.

Was sind die Voraussetzungen für die erstmalige Inanspruchnahme einer Verhinderungspflege?

Um die Leistungen der Verhinderungspflege erstmalig in Anspruch nehmen zu können, muss ein Pflegebedürftiger mindestens sechs Monate in seiner Häuslichkeit durch eine Pflegeperson gepflegt worden sein.

Hierbei handelt es sich um die sogenannte Vorpflegezeit.

Die Verhinderungspflege kann im Übrigen auch beantragt werden, wenn eine pflegebedürftige Person regelmäßig durch mehrere Pflegepersonen versorgt wird. Diese könnten sich im Rahmen der Verhinderungspflege beispielsweise gegenseitig vertreten.

Welche Leistungen umfasst die Verhinderungspflege?

Die Leistung der Verhinderungspflege umfasst im Wesentlichen die Finanzierung einer Ersatzpflege für einen gewissen Zeitraum bis zu einer bestimmten Höhe.

Diese Formulierung ist natürlich schwammig.

Das liegt jedoch daran, dass zur Beantwortung dieser Frage einige Kriterien beachtet werden müssen, auf die im Folgenden eingegangen wird.

Durch wen kann die Verhinderungspflege erbracht werden?

Die Verhinderungspflege kann durch Verwandte, Freunde, Bekannte, Nachbarn, sonstige ehrenamtliche Helfer oder auch durch einen ambulanten Pflegedienst übernommen werden.

Auch die Inanspruchnahme von Betreuungsdiensten ist beispielsweise möglich.

Wie lange kann die Verhinderungspflege in Anspruch genommen werden?

Wie lange die Verhinderungspflege pro Jahr in Anspruch genommen werden kann, kommt darauf an, ob eine tageweise oder eine stundenweise Verhinderungspflege beantragt wird.

Stundenweise Verhinderungspflege

Bei der Inanspruchnahme einer stundenweisen Verhinderungspflege gibt es keine maximale Leistungsdauer pro Jahr. Limitierender Faktor der stundenweisen Verhinderungspflege ist nur der Leistungsbetrag.

Stundenweise verhindert ist eine Pflegeperson, wenn sie im Rahmen der Verhinderungspflege insgesamt weniger als 8 Stunden pro Tag ersetzt werden muss.

Tageweise Verhinderungspflege

Wird eine Verhinderungspflege tageweise beantragt, kommt es hingegen auf die Dauer an, während derer die Verhinderungspflege geleistet wird.

Die Kosten einer tageweisen Verhinderungspflege können für maximal 6 Wochen beziehungsweise 42 Tage pro Kalenderjahr erstattet werden.

Wie hoch sind Leistungen der Verhinderungspflege?

Das Wichtigste vorab: die Leistungen der Verhinderungspflege können jedes Jahr erneut abgerufen werden, da der Anspruch auf die Verhinderungspflege mit jedem Kalenderjahr neu entsteht.

Auch bei der Höhe der Leistungen der Verhinderungspflege muss wieder differenziert werden. Es kommt nämlich darauf an, durch wen die Verhinderungspflege erbracht wird.

Verhinderungspflege durch Freunde, Nachbarn, Bekannte, einen ambulanten Pflegedienst oder entfernte Verwandte

Wird die Verhinderungspflege durch Freunde, Nachbarn, Bekannte oder nur entfernt Verwandte beziehungsweise nur entfernt Verschwägerte (ab dem dritten Grad) erbracht, kann ungeachtet der Höhe des vorliegenden Pflegegrades pro Jahr ein Leistungsbetrag von 1.612,00 Euro abgerufen werden.

Auch wenn ein ambulanter Pflegedienst die Verhinderungspflege übernimmt, erstatten die Pflegeversicherungen ungeachtet der Höhe des vorliegenden Pflegegrades pro Jahr einen Leistungsbetrag von 1.612 Euro:

Tabellarische Darstellung des jeweils maximalen Verhinderungspflegebetrages pro Pflegegrad bei Pflege durch nicht verwandte Personen.
Verhinderungspflege durch Verwandte/Verschwägerte oder mit dem Pflegebedürftigen in häuslicher Gemeinschaft lebende Personen

Zum Personenkreis der bis zum zweiten Grad Verwandten zählen Eltern, Kinder, Großeltern, Enkelkinder und Geschwister.

Zum Personenkreis der bis zum zweiten Grad Verschwägerten zählen unter anderem Stiefeltern oder Stiefkinder, Stiefgroßeltern und -enkelkinder, Schwägerinnen oder Schwäger oder auch Schwiegerenkel.

Wird die Verhinderungspflege durch mit dem Pflegebedürftigen bis zum zweiten Grad Verwandte oder Verschwägerte oder durch mit dem Pflegebedürftigen in häuslicher Gemeinschaft lebende Personen erbracht, wird die Verhinderungspflege maximal in Höhe des Betrages des jeweiligen Pflegegeldes geleistet.

Hochgerechnet auf die maximal sechswöchige Leistungsdauer pro Kalenderjahr ergibt sich bei diesem Personenkreis ein höchstmöglicher Leistungsbetrag, der dem Pflegegeld für sechs Wochen entspricht. Es handelt sich hierbei also um das 1,5fache des monatlichen Pflegegeldes.

Dass für die durch Verwandte erbrachte Verhinderungspflege insgesamt weniger Geld ausgeschüttet wird, liegt darin begründet, dass Verwandte die Verhinderungspflege in diesem Fall ja nicht erwerbsmäßig ausüben. Gleiches gilt für Personen, die mit dem Pflegebedürftigen in häuslicher Gemeinschaft leben.

Je nach Höhe des vorliegenden Pflegegrades besteht demnach ein unterschiedlicher Anspruch auf Leistungen der Verhinderungspflege:

Tabellarische Darstellung des jeweils maximalen Verhinderungspflegebetrages pro Pflegegrad bei Pflege durch Verwandte.

Was passiert mit dem Pflegegeld, wenn Verhinderungspflege in Anspruch genommen wird?

Auch hier kommt es wieder darauf an, ob die Verhinderungspflege stundenweise oder tageweise in Anspruch genommen wird.

Stundenweise Verhinderungspflege

Wenn die Pflegeperson nur stundenweise verhindert ist, wird das Pflegegeld in voller Höhe weiter gezahlt.

Tageweise Verhinderungspflege

Sofern die Verhinderungspflege tageweise in Anspruch genommen wird, findet eine anteilige Anrechnung auf das Pflegegeld statt.

Während der tageweisen Verhinderungspflege wird das Pflegegeld des jeweiligen Pflegegrades nur zur Hälfte ausbezahlt. Für den ersten und letzten Tag der Verhinderungspflege wird das Pflegegeld allerdings noch in voller Höhe gewährt.

Nicht zu verwechseln: Kurzzeitpflege und Verhinderungspflege

Wie dargelegt, kann eine Verhinderungspflege in Anspruch genommen werden, wenn die bisherige Pflegeperson zeitlich begrenzt ausfällt und ersetzt werden soll.

Bei einer Kurzzeitpflege geht es hingegen darum, den Pflegebedürftigen kurzzeitig in einer stationären Pflegeeinrichtung unterzubringen und durch Fachpersonal versorgen zu lassen.

Eine Kurzzeitpflege kommt in Frage, wenn die Pflege in der Häuslichkeit vorübergehend nicht möglich ist.

Umwidmungsregelung

Durch die sogenannte Umwidmungsregelung ist es möglich, den unter normalen Umständen zustehenden Betrag der Verhinderungspflege um 806 Euro aufzustocken, indem zusätzlich Leistungen des Kurzzeitpflegebudgets verwendet werden.

So kann jährlich ein maximaler Betrag für die Verhinderungspflege von 2.418 Euro abgerufen werden.

Das jährlich zur Verfügung stehende Budget für die Kurzzeitpflege wird in diesem Fall entsprechend um diese 806 Euro reduziert. Um von der Umwidmungsregelung Gebrauch machen zu können, dürfen die jährlichen Mittel für die Kurzzeitpflege folglich noch nicht vollständig aufgebraucht worden sein.

Wie wird die Verhinderungspflege beantragt?

Für die Abrechnung der im Rahmen der Verhinderungspflege entstandenen Kosten muss ein Antrag bei der Pflegeversicherung des Pflegebedürftigen gestellt werden.

Der Antrag kann sowohl bereits im Vorfeld der Inanspruchnahme der Verhinderungspflege als auch erst nachträglich gestellt werden.

Der Antrag auf Verhinderungspflege kann formlos bei der entsprechenden Pflegekasse des Pflegebedürftigen eingereicht werden. Bei dieser formlosen Antragstellung wird die Kasse Ihnen die notwendigen Vordrucke zusenden, die dann nur noch ausgefüllt werden müssen.

Auch ist es möglich, das entsprechende Formular online bei der jeweiligen Pflegeversicherung des Pflegebedürftigen direkt herunterzuladen. Die meisten Kassen bieten diesen Service inzwischen an.

Die Kosten der Verhinderungspflege müssen nachweisbar sein – entsprechend bietet es sich an, Rechnungen oder Belege aufzubewahren und diese gegebenenfalls vorlegen zu können.

Pflegepersonen müssen im Übrigen nicht den Grund ihrer Verhinderung angeben. Einige Pflegeversicherungen fragen im Rahmen der Antragstellung auf Verhinderungspflege, warum die Pflegeperson verhindert ist.

Die Pflegeperson kann dann beispielsweise wählen zwischen “Urlaub”, “Krankheit”, “Arztbesuchen”, “Einkäufen” oder “Behördengängen”, “Reha-Maßnahmen” oder “sonstigen Gründen”, wobei diese ausgeführt werden mögen.

Es wirkt so natürlich, als ob die Pflegeperson begründen müsste, weswegen sie verhindert ist und die Pflege nicht leisten kann.

Pflegepersonen müssen jedoch nicht begründen, weswegen sie vorübergehend verhindert sind. Der Anspruch auf die Leistungen der Verhinderungspflege besteht allein dadurch, dass die Pflegeperson – aus welchen Gründen auch immer – vorübergehend und kurzzeitig ausfällt.

Insofern ist es ratsam, unter diesem Punkt lediglich „Sonstiges“ zu wählen, ohne dies weiter auszuführen.

Fazit

Die Verhinderungspflege ist eine wichtige Leistung der Pflegeversicherungen, durch die Pflegebedürftige finanzielle Unterstützung zur Sicherstellung ihrer häuslichen Pflege erhalten, wenn ihre Pflegeperson verhindert ist.

Auch ist die Verhinderungspflege eine wichtige Möglichkeit, um pflegende Angehörige zu entlasten und ihnen Auszeiten zu ermöglichen, während derer die Pflege ihres Pflegebedürftigen trotz ihrer Abwesenheit sichergestellt wird.

Tabellarische Übersicht des jeweils maximalen Verhinderungspflegebetrages pro Pflegegrad bei Pflege durch Verwandte und nicht verwandte Personen.

1   Pflege durch Verwandte/Verschwägerte oder mit dem Pflegebedürftigen in häuslicher Gemeinschaft lebende Personen

2   Pflege durch Freunde, Nachbarn, Bekannte, einen ambulanten Pflegedienst oder nur entfernt Verwandte